Fettfleck – Fotos vom Sattel

Ich möchte als Fotograph einen eigenen Stil entwickeln, das ist eine unsinnige Aussage, da ein Stil sich ja notgedrungen entwickelt, abhängig natürlich von der Intensität der Hingabe, also der inneren Bereit- schaft zum Staunen, der Wachsamkeit, der Fantasie und der Geduld, stupide Stunden zu überstehen, ohne sich, im Falle des Schreibens, dauernd mit der Hand vor die Stirn zu schlagen und auszurufen: Ich Depp, warum mache ich das bloß? Warum sattle ich nicht meinen inzwischen tatsächlich blauen Elefanten? Lieber möchte ich dieses treue Wesen im Schnee auf der Schulter an die Wolga tragen, als hier unter dem Domestizierten zu verharren, den unindianischen Städtern, die es nicht einmal zu schätzen wissen, dass sie in Wohnungen mit Trinkwasser leben.
Der Auswahl der Fotos sollte man anmerken, dass sie von einem Radfahrer gemacht wurden. Jedes einzelne Foto könnte natürlich von irgendeinem X-Beliebigen stammen, aber in der Häufung – mit welchem Fahrzeug käme jemand in die Duschen der Bergarbeiter, zu den Zöllnern, die zum Wodkafrühstück ein- laden? Und da, wo Regen die Straßen wegschwemmt, kommt kein Autofahrer hin. Die einzige ehrbare Konkurrenz des Fahrradreporters sind der Fußgänger, der Rollstuhlfahrer und – ach ja, der Traktorist, den ich bei Lutzk traf, ein Sorbe aus dem Spreewald, der in der Ukraine seine Liebe gefunden hat und glücklich ist, dass er die riesigen Brachflächen dort pflügen kann (2009). (Überhaupt, diese komischen Treffen unterwegs; polnische Fahrradpilger, mehrere sechzigjährige Radfahrer, bei Kiev, bei Belgorod, bei Niko- lajev.)

Joseph Beys hat die himmlische Wut lächeln präsentiert: Euch zeige ich nur einen Fettklumpen.-
Böse, eitel, aber wahr: In der schwarzen Mitte Europas, im geographischen Zentrum, wo der Herzstillstand herrscht, kennt niemand mehr Schlaglöcher und Ameisenhaufen als ich; als gesetzt gilt ein Radius von 1000 Kilometer. Na, das ist doch was.

Themen: Tour de Wolga

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