Abschied (2)

Der Übergang wird wieder einmal berauschend sein: vom Schreibstuhl auf den Sattel, von Berlin nach Saratov, vom Kleinklein in die Wälder.
Das Fahrrad war in der Werkstatt. Mit den neuen Reifen fährt es sich weich und geschmeidig, es will angreifen, ich spüre es.
Ich habe natürlich wieder nicht „trainiert“. In den Jahren zuvor bin ich auch einfach losgefahren. Ich habe kaum noch Erinnerungen daran – und öffne das Archiv. Wie war das im vorigen Jahr, welches war das erste Diktat? Oh weh, ich bin offenbar erst nach Tagen aufgewacht, wie sonst ist dieses Gestammel zu erklären?

„18 Uhr, ich fahre auf die polnisch-ukrainische Grenze zu, 6 Tage fahre ich, jetzt 150 km,  heute wieder schreckliches Wetter, wieder scharfer, schwarzer, kalter Regen, mehrmals durchnässt, 30-40 km keine Gelegenheit zum Einkaufen, entsprechend hungrig. Jetzt wird’s wohl dunkel, bis zur Grenze sind es noch 30 km ungefähr. Leider ist von der vorderen Lampe das Glasscheibe abgesprungen. Auf diesem Ding war eine Garantie von 100.000 Betriebsstunden, hat 100 Euro gekosten, 10 Betriebsstunden hat’s gehalten, dann lag das Glas auf der Autobahn oder sonst wo, das ist natürlich große Schei-. Ich hatte mich so gefreut, endlich mal mit ordentlichem Licht durch die ukrainischen und russischen Nächte zu fahren. Nachts ist es ziemlich kalt, der Schlafsack, der angeblich bis minus 11 Grad Komforttemperatur haben soll, hat natürlich keine wirkliche Wärme gehalten. Eine Zecke habe ich auch schon im Zelt gehabt, Horror, Horror, Horror. Der Pass war durchnässt, weil ich ihn nicht richtig verpackt hatte. Und natürlich nicht geraucht, ganz klar. Eine Reifenpanne gehabt, Reifen gewechselt, der Vorderreifen verliert trotzdem Luft. Na ja, aber doch ziemlich schnell vorwärts gekommen, 150 km pro Tag ohne Training, das ist ja nicht so schlecht. Jetzt geht’s in die Ukraine, irgendwo 10 – 20 km hinter der Grenze werde ich übernachten, habe mir einen Vorrat von einem Liter Yoghurt gekauft, wird ja wohl reichen, bisschen was zu essen, viel braucht man ja nicht. Das war, glaube ich, Donnerstag, der 28., keine Ahnung, tschüss.“

28.05.2009

Foto: Bonbons in Kiev

Themen: Tour de Wolga

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