Als Gast

Ich fahre durch ein Dorf, da fällt mir eine Wasserflasche vom Gepäckträger. Der Knall ist ziemlich laut, hinter dem nächsten Gartenzaun bellen wütend zwei Hunde. Der Haus- und Hundebesitzer kommt angelaufen, fragt, was passiert sei. Er sieht, dass in der Wasserflasche ein Loch ist, läuft augen- blicklich ins Haus, holt eine neue Flasche und schenkt sie mir. Ich habe seine Fragen noch gar nicht alle beantwortet, da zieht er mich in den Hof, ich müsse unbedingt etwas essen, er zieht mich in die Küche, Bitte setzen! – schon braten Eier und Speck in der Pfanne. Seine Frau kommt aus dem Garten, sie hat die Schweine gefüttert. Sie arbeitete ihr Leben lang als Köchin, er als Kraftfahrer in einer nahen Fabrik.
Ich werde eingeladen, wenigstens eine Nacht zu bleiben. Wieder steht das Wässerchen auf dem Tisch, Eier und Speck dampfen. Nur 116 Kilometer gefahren.
Wladimir, mein Gastgeber, erzählt begeistert von seinem früheren deutschen Chef, einem Herrn von Schulenburg, der offenbar ein feiner Mensch war, ehrlich, pünktlich, höflich.
Die Katze bekommt Prügel, als sie sich dem Gasherd nähert, Wladimir schlägt mit der Fliegenklatsche, pfeift und brüllt. Im Hof grunzen Elite-Schweine, nicht unähnlich denen, die Hannibal Lector verspeisen sollten.
Es wird ein feuchter Abend. Wir besichtigen die frühere Teer-Fabrik. Unter Breschnew sei die beste Zeit gewesen, erzählt Wladimir. Jeder habe Wohnung, Essen, Arbeit gehabt, Konflikte seien kollegial gelöst worden. Viele der älteren Leute seien dieser Meinung. Die Räuber-Mentalität von heute verschrecke sie.
Montag, 25.06.2007, Poltava – Lychkove, 116 km (2591)

Themen: Tour de Wolga

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