Literatur

Krieg im Traum

Ein zerschossenes Haus irgendwo in Deutschland, nur die Wände der unteren Etage stehen noch. Zusammen mit mir haben acht Menschen überlebt; was ich weiß ohne sie gezählt zu haben. Alle wuseln umher, suchen etwas, räumen auf, nur ich sitze am Tisch.
„Wir sollten alles Wichtige aufschreiben“, sage ich zu einer Frau an der Küchenspüle. „Wer hat noch Verbindungen in andere Städte, nach Hamburg oder Köln? Wer kann Auto fahren, wer kann Erster Hilfe leisten? Wir brauchen Bindemittel (ich meine Tourniquets)! Wo treffen wir uns, wenn auch dieses Haus hier zerstört wird?“ (Dabei ist es ja schon zerstört.)
„Du kennst dich aber gut mit solchen Situationen aus“, sagt der Autor St.D. (der kürzlich ein Buch darüber veröffentlicht hat, wie Deutschland ruzzlands Krieg finanziert). Er steht neben der Frau an der Küchenspüle und schneidet Tomaten mit einem Messer mit einer gezackten Klinge. Typisch Westler, denke ich, die haben scharfe Messer. (Dabei ist er gar kein Westler, aber im echten Leben solch ein Gentleman mit feinen Manieren, dass ich im vorigen Jahr dachte er sei ein Westler, nicht solch ein selbstgenügsamer Waldmensch wie ich.)

Ich wache auf, weil die Sirenen heulen.
Ich will zurück in den Traum, weiß aber, dass ich das nicht schaffen werde, und entscheide mich deshalb, an erotische Erlebnisse zu denken; das ist meistens das beste Einschlafmittel (in meinem Alter).
Statt an das Schöne zu denken, kommt mir der Satz des „Unterwerfungspazifisten“ I.S. in den Sinn, „Frieden schließt man nur mit Feinden“. Mir schwirren schweinische Worte durch den Kopf, die ich hier nicht wiedergeben kann. Soll er sich mal vergewaltigen lassen und dann zum Täter sagen: Jetzt schließen wir aber Frieden. Soll er mal an der Front die zerfetzten Gliedmaße seiner Brüder umherfliegen sehen und dann wieder schreiben: „Niemand will Krieg in Europa“; wie er das in seinem „Friedensmanifest“ tat, als die ruzzen schon den Donbas besetzt hatten und im Folterlager „Isolaziya“ Männer an ihren Genitalien aufhängten und mit Stromstößen quälten.

Schließlich schlafe ich aber doch ein.

Link: Allee der Helden, Poltawa, Dezember 2024
https://zmist.pl.ua/news/imena-360-zahysnykiv-na-shhytah-u-czentri-poltavy-vidkryly-aleyu-geroyiv

Philosophie für Kinder (1)

28.01.25
Ewige Traurigkeit: Warum habe ich nur ein Leben? Ich hätte genug Ideen, Wünsche, Pläne, Aufgaben, Leidenschaften für mehrere Leben. Eines der vielen angefangenen und unvollendeten Projekte: Ein Philosophiebuch für Kinder zu schreiben.
Meines Erachtens ist komplexes Denken ja nicht besonders schwer, sobald man es als Spiel auffasst – sowohl als Kampfspiel und rhetorische Kunst wie etwa Schach, als auch als theatralisches Spektakel, um dramatische Konflikte zu veranschaulichen und die unaufhörlichen Verwandlungen des Daseins darzustellen.
Wobei natürlich klar ist, dass nicht jeder die Meisterschaft etwa des polnischen Futuristen Aleksander Wat (1900 – 1967) erreichen kann, der in einem sowjetischen Gefängnis (in der Lubjanka?) übte, sich beim Denken zu beobachten – und die Schwierigkeitsgrade steigerte, indem er zu beobachten versuchte, wie er sich beim Denken beobachtete, um dann zu versuchen, das Beobachten des Beobachtens zu beobachten – und dabei das Denken nicht zu vergessen.
Meiner Erinnerung nach schaffte er drei kontemplative „Stufen“, Heidegger hätte sie vielleicht „Kehren“ genannt – „nicht eine neue Drehung in der Bewegung der transzendentalen Reflexion, sondern die Freisetzung und Durchführung dieser Aufgabe“ (Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 1960/2010).

Nachruf auf einen Sadisten

Poltawa, 21.06.2024
Die Welt ist ein bisschen besser geworden, sah ich gestern zufällig. Ein böser Mensch hat die Erde verlassen. Der böseste, den ich in meinem bisherigen Leben kennenlernen musste, erkennen musste. Man wusste nie, auf welches Kind er als nächstes einprügeln wird, und auch nicht immer warum. Einmal schlug er einem Mädchen die Nase blutig, weil sie ein Buch aus ihrem Ranzen gezogen hatte, dabei war ein leises Geräusch zu hören gewesen – obwohl er Ruhe befohlen hatte.

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Beim Bataillon Donbass – Wenn „Alabama“ schlafen will, kommen die Bilder

Rettungssanitäter haben in der Ukraine die höchste Rate an Verlusten – denn die Russen machen gezielt Jagd auf sie, um die Moral der Ukrainer zu untergraben. „Alabama“ fährt fast täglich an die Front, um Verletzte zu bergen.

https://www.n-tv.de/politik/Beim-Bataillon-Donbass-in-Slowjansk-Wenn-Alabama-schlafen-will-kommen-die-Bilder-article24979586.html

Notizen zum Krieg

Notizen zum Krieg (1), Слов’янськ, 22.05.2024
Schrecklich, diese rohe Sprache und dieses rohe Denken, in der manche Ausländer, die im Frieden leben, über den Krieg sprechen. „Du bist entweder Journalist oder Aktivist; als Aktivist bist du kein objektiver Journalist mehr“, schrieb mir neulich jemand.

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Mein heutiges Live-Interview für den Südwestrundfunk. Text und Audio. Ob Russland den Krieg gewinnt, wollten sie wissen.

– Sie haben uns in Interviews wieder immer geschildert, dass Sie froh sind morgens gesund und unversehrt aufzuwachen. Wie geht es Ihnen heute früh?
– Das ist heute auch der Fall. Die Nacht war ruhig, es gab keine Warnungen vor anfliegenden Raketen. Das ist insofern erstaunlich, weil es ja vor zwei, drei Tagen sehr heftig war, da war alle zwei, drei Stunden Luftalarm. Und da wird einem natürlich immer, ja, ein bisschen angst und bange. …weiterlesen »

Des Kremls übersehene Kriegsgründe – der dysfunktionale russische Staat kann im friedlichen Wettbewerb mit anderen Ländern schlicht nicht mithalten

Ob Rohstoffe, Technik oder Getreide – für Russlands Elite war die Ukraine ein Objekt, das sie ungehemmt ausplündern konnte. Die auf dem Maidan erworbene Freiheit und ein neuer Wohlstand stellten Putins ganzes System bloss. Das konnte dieser so nicht stehenlassen. …weiterlesen »

Würde des Helfens, Rausch des Tötens

Mein Gastkommentar in der NZZ
Seit zwei Jahren herrscht in der Ukraine Krieg, doch auch wenn man als Beobachter die Berichterstattung intensiv verfolgt, hat man noch keinen Begriff davon, was es heisst, unter Kriegsbedingungen zu leben. Es verschieben sich die Realitäten, im Guten wie im Schlechten.
(Anm. betreffs „Ukraine-Krieg“: Titel und Teaser formuliert in der Regel, so auch hier, die Redaktion.) 
https://shorturl.at/fwyOU

Neue Krachkultur

Die neue Krachkultur ist da, »Deutschlands frechste Literaturzeitschrift!«. Diesmal mit zwei Beiträgen aus der Ukraine:
»Drei Kuckucke und eine Verbeugung« von Hryhir Tjutjunnyk, ein Klassiker der ukrainischen Liebesgeschichten und Christoph Brummes »Viktoria findet ein Haar auf dem Diwan«, Liebesalltag vor dem Ukrainekrieg. …weiterlesen »

MDR: Corinna Harfouch liest meinen Roman

Mein erster Roman, vor 26 Jahren veröffentlicht, bald wieder beim Mitteldeutschen Rundfunk – gelesen von Corinna Harfouch in fünf Folgen, morgens und abends.

„Am Fuße des Brockens, wo Faust und Mephisto auf dem Besenstiel geflogen sind, wo Höllen- und Zeterklippe von unheimlichen Vorgängen berichten, liegt das Dorf Elend. An jeder Straße, die aus dem Dorf hinausführt, sind Schlagbäume angebracht, und wenige hundert Meter Richtung Westen verläuft die deutsch-deutsche Grenze. …weiterlesen »

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