Russland – Ukraine
„Waffenruhe“? – Mein Interview für Schweizer Radio, vom 13.3.25
Christoph Brumme lebt seit 2016 in Poltawa und erlebt den Krieg hautnah. Die Reaktion der Menschen auf den Vorschlag sei eindeutig, sagt er: «Die meisten glauben nicht, dass Russland die Waffenruhe wirklich will oder sich daran halten wird. Man kennt die Russen. Sie haben immer wieder Vereinbarungen gebrochen.»
Selbst wenn es für kurze Zeit ruhig bliebe, würde das wenig an der Realität ändern. «Beide Seiten würden sich auf den nächsten Angriff vorbereiten», meint Brumme. In der Ukraine verschwende man deshalb keine Energie auf diese Vorstellung. «Das ist eher ein Selbstgespräch, das im Westen geführt wird.»
Gewachsenes Vertrauen in die Regierung
Während der Krieg weitergeht, hat Präsident Wolodimir Selenski in der Ukraine an Ansehen gewonnen – besonders nach seinem jüngsten Besuch in Washington. Dort hatte er sich offen gegen Donald Trump und dessen Vizepräsidenten positioniert, was ihm im Westen Kritik, in der Ukraine aber Respekt einbrachte. Und: «Ukrainerinnen und Ukrainer müssen sich den Tatsachen stellen, dass sie nicht dreimal täglich ihre Meinung ändern können wie die US-Regierung», sagt Brumme.
Text und Audio – So reagieren die Menschen auf die mögliche Waffenruhe
Viktoria Roschina, Versagen der Intellektuellen, Täter-Opfer-Umkehr, neue Arbeitsthese zur Funktion von Wahrheiten und Erkenntnissen
Poltawa, 04.03.2025
Vier Stunden am Schreibtisch, neue Analysen von Timothy Snyder und Anne Applebaum gelesen,
außerdem meine Korrespondenz mit der von den ruzzen gefolterten und ermordeten Viktoria Roschina, anlässlich der Übersetzung und Veröffentlichung ihrer Reportage „Die Toten haben mich besucht“ – für die ich mich im Mai 2021 (!) als Redakteur bei „Ukraine verstehen“ eingesetzt hatte. Die Reportage handelte von „Kriegsveteranen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSB) Was der ukrainische Staat für sie tut. Über die psychische Gesundheit von Kriegsdienstleistenden.“
Nochmals: Im Mai 2021.
Ein Jahr später behauptete der Büchnerpreisträger D.G. in der Süddeutschen Zeitung: „Am 24. Februar 2022 geschah das Undenkbare: Die Streitkräfte der Russländischen Föderation, im Westen kurz Russland genannt, marschieren in ein souveränes Nachbarland ein, die Ukraine.“ Und: „Dieser Krieg wird von einem einzigen Mann geführt, dem einzigen, der weiß, warum er ihn führt – zum Erhalt seiner Macht: Wladimir Putin“.
Das angeblich „Undenkbare“ war da für uns schon acht Jahre lang Alltag. Und für Syrier und Georgier ebenfalls. So viel zum Thema westliche „Wissensgesellschaft“ und das Versagen der Intellektuellen.
Ein besseres Beispiel bietet da Timothy Snyder, wie immer hellsichtig und mit klarem Kompass:
„Die Russen begehen weiterhin jeden Tag Kriegsverbrechen. Gestern griff Russland Krankenhäuser in Charkiw an. Die Russen haben lediglich gesagt, sie würden mit den Amerikanern sprechen, was nicht dasselbe ist wie die Zustimmung zur Teilnahme an einem Friedensprozess. Aus russischer Sicht ist ein Waffenstillstand eine Gelegenheit, die externe Unterstützung für die Ukraine einzustellen und die ukrainische Armee zu demobilisieren, um den nächsten Angriff vorzubereiten. Selbst wenn dies aus den russischen Erklärungen und Handlungen nicht klar hervorginge, könnte kein (!!!) verantwortungsbewusster ukrainischer Politiker die amerikanische Prämisse, dass ein Waffenstillstand allein ausreicht, einfach akzeptieren oder den Amerikanern einfach glauben, dass danach alles gut werde. … Es ergibt keinen Sinn, von dem angegriffenen Land zu verlangen, dass es seine Verteidigung einstellt, und so zu tun, als würde dies allein schon Frieden bringen.“
Dann Vortrag und Interview mit Oberst Reisner gesehen, inspirierend und sachkundig, von einzelnen, auch groben Fehlern abgesehen.
Oberst Reisner: „Das Dilemma ist, dass Russland die Militärkarte wieder gezogen hat. Und das war für uns ein absoluter Schock. Niemand hat damit gerechnet (???), dass mit dieser Urgewalt ein Staat einen anderen Staat angreift. Und alle, die sagen, sie haben es kommen gesehen, das glaube ich nicht, denn niemand hätte das in dieser Form wirklich bewusst für möglich gehalten.“
01.05.2024
Aber die ruzzen haben diesen Krieg doch jahrelang täglich stundenlang öffentlich angekündigt in ihrem Staatsfernsehen, hat denn kein Westler zugesehen außer mir? (Mein Sohn wunderte sich damals, dass ich mehrmals in der Woche solche Schrei-Sendungen sehe.)
Im Interview vor drei Tagen nur eine seltsame Reisner-Aussage: „die kritische Infrastruktur der Ukraine ist zu 80 zerstört oder beschädigt“.
Das begreife ich überhaupt nicht. Die Züge fahren wie immer alle pünktlich, der öffentliche Nahverkehr funktioniert wunderbar, es gibt keine Versorgungsmängel an Produkten (jedenfalls sind mir keine bekannt), Krankenhäuser, Apotheken, Banken arbeiten ganz normal, die Bildungseinrichtungen nur bei Luftalarm „eingeschränkt“, d.h. unterirdisch.
Kritische Infrastruktur, das sind laut Definition der EU: „Anlagen, Systeme oder ein Teil davon, die von wesentlicher Bedeutung für die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen, der Gesundheit, der Sicherheit und des wirtschaftlichen oder sozialen Wohlergehens der Bevölkerung sind und deren Störung oder Zerstörung erhebliche Auswirkungen hätte, da ihre Funktionen nicht aufrechterhalten werden könnten.“
Ich wüsste nicht, was nicht funktioniert. Was übersehe ich?
Richtig und wichtig, gleichzeitig banal: „Hätten wir (in Europa) die industrielle Kapazität, den Ausfall der Lieferungen aus den USA zu kompensieren?“
Oberst Reisner: „Wir hätten das industrielle, das ökonomische und das rüstungstechnologische Potential, aber es ist die Frage, ob der politische Wille dazu da ist (es zu nutzen).“
Als Quintessenz der morgendlichen Studien neue Arbeitsthese formuliert zur Funktion von Wahrheiten und Erkenntnissen in den drei mir gut bekannten Gesellschaftstypen: Für Ukrainer wäre es lebensgefährlich, sich selbst zu belügen; für Russen ist das lebensnotwendig, die Wahrheit ist der Feind; für viele Westler war es bisher ein selbstverliebtes postmodernes Vergnügen, an den schönen Schein und Floskeln zu glauben, mit Illusionen zu kopulieren.
Ebenfalls wichtig: Die USA unter DT wollen die Ukrainer faktisch zur Kapitulation zwingen, weil sie selbst gegenüber ruzzland kapitulieren / den verbrecherischen Forderungen ruzzlands freundschaftlich zustimmen.
Nicht zu unterschätzen: Verhandlungen, Waffenstillstands- und Friedenspläne werden oft auch geführt um zu zeigen, dass sie ergebnislos bleiben werden / nicht funktionieren. Das wäre jedenfalls die einzige Entschuldigung für die blauäugigen Scheindiskussionen im Westen über westliche „Friedens“truppen in der Ukraine oder „die Ukraine in eine Position der Stärke bringen, um putin zu Verhandlungen zu zwingen“.
Kein Luftalarm, Pause, Schach spielen.
Mist, getäuscht, jetzt doch Luftalarm.
Konsequenzen des Irrsinn der Trump-Selenskij-Show
Poltawa, 03.03.2025 (Luftalarm)
Ein langjähriger Freund aus Berlin fragt, wie der „Irrsinn der Trump-Selenskij-Show“ bei uns in der Ukraine aufgenommen wird.
Meine mündliche Antwort: KGB–Agent Trump (Genosse Krasnov) erfüllt seinen Auftrag. Nach 1300 Deals mit russischen Mafia-Bossen muss man ihn auch nicht mehr erpressen oder mit irgendetwas locken, wie manche im Westen sinnloserweise vermuten.
Aber solange die Amerikosen unsere Kinderkrankenhäuser nicht bombardieren, um uns „zum Frieden zu zwingen“, werden wir – womöglich – auch das überstehen.
Jetzt müssten wir natürlich gegen zwei Atommächte gewinnen, das wird nicht einfach.
Aber die Stärke der Ukrainer, ihr Macht- und somit auch Erpressungspotential wird von Trump und wird im Westen noch immer unterschätzt.
Immerhin muss Europa jetzt aus dem Tiefschlaf erwachen – oder ihr könnt das KZ Buchenwald und ähnliche Anlagen schon mal als Umerziehungslager vorbereiten, wo die ruzzen dann ihrem liebsten Vergnügen nachgehen werden, Patrioten und Pazifisten an den Eiern aufhängen.
Und weil der Freund von Napoleon Bonaparte fasziniert ist, erinnere ich ihn an einen Ausspruch des Franzosen: Politik ist unser Schicksal.
Passend zum Thema: Die ruzzen planen, künftig jede Nacht 500 (iranische?) Shahed-Drohnen auf die Ukraine abzufeuern. Derzeit könnten sie täglich bis zu 200 Shaheds abfeuern.
Cosa Nostra on steroids
01.03.25
Schlechte Nachrichten aus Washington, gute aus Hannover. Wir konnten einen Rettungswagen für ein Bataillon im Donbas kaufen !!! Er kostete schlappe 15.000 Euro. Ein Mercedes-Benz, sehr guter Zustand, geeignet fürs Gelände. Womöglich muss / darf ich nach Hannover fahren, um den Wagen abzuholen, mit dessen Hilfe hoffentlich viele Soldatenleben gerettet werden können. Schauen wir mal.
Vielleicht habe ich angesichts dieses Erfolges wenig Lust, mich über die Weltgeschichte aufzuregen. „Die Achse Trump/Putin – das ist Cosa Nostra on steroids“, schrieb mir diese Woche ein Freund. Vielleicht eher auf Koks? Der Freund vermutet, „dass sie Selenskyj signalisiert haben, dass sie ihn zur Tötung durch Putin freigeben, wenn er den Rohstoff-Deal nicht unterschreibt. Die Mafia hat übernommen, sie verbergen nicht einmal mehr ihre Methoden.»
Übrigens unterschied sich das „Argumentationsniveau“ des US-Vize-Präsidenten ja kaum vom Niveau und Stil des in deutschen Talkshows jahrelang gepflegten zynischen Wunschdenkens, man könne mit den Moskauer Staatsterroristen verhandeln und Kompromisse vereinbaren, was vom Publikum gern ausdauernd beklatscht wurde.
Die elementare Lektion, die Selenskij auch in Washington vortrug – „Entweder wir gewinnen, oder wir hören auf zu existieren“ – wird man in Deutschland noch lernen müssen. Wobei ich fürchte, dass die Mehrheit der Deutschen dafür zu schwach und zu selbstverliebt ist. Aber frei gewählte Selbstzerstörung ist kein neues Untergangsszenario in der Geschichte, nicht alle Menschen können ukrainische Kosaken sein.
Deutscher Stammtisch
Poltawa, 25.02.2025
Wahrscheinlich typisch deutsches Grölen am Stammtisch, von dem mir ein Freund aus München berichtet.
„Ich sprach hier übrigens kürzlich mit einem sehr altgedienten CSUler, der da meinte: Krieg einfrieren, sofort – und beide Seiten erzählen sich dann das Märchen von einer tapferen Erfolgsgeschichte – alles andere wäre zu deprimierend – fertig ist die Laube.»
Die teuflisch stumpfsinnige Äußerung suggeriert, dass beide Kriegsparteien in gleicher Weise schuldig wären. Nach dem Motto, „da streiten sich zwei“. Eigentlich sollte sich inzwischen bis München herumgesprochen haben, dass die einen Staatsterroristen sind, die ihre Mordlust ausleben, die anderen aber friedliche Zivilisten, die nicht massakriert werden wollen.
Und wer, bitteschön, soll der Weltpolizist sein und den „Krieg einfrieren“? Der „altgediente CSUler“ / bierselige Bayer? Die bayrische Märchen-Jury? Die „Streithähne“ sollen mir gehorchen, damit ich nicht traurig bin?
Stammtisch, wie gesagt. Dumpfe Gefühle entscheiden über Leben und Tod / über Prozente bei Wahlen / über Waffenlieferungen.
Übrigens erstaunlich: Selbst jetzt während des Krieges gilt in der Ukraine noch nicht einmal die allgemeine Wehrpflicht. Deshalb fragt Swjatoslaw Palamar, Stellvertretender Kommandeur der Asow-Brigade: „Haben sich unsere Gesetzgeber jemals gefragt, warum unser Feind die Wehrpflicht nicht abgeschafft hat? Und warum dienen in Israel alle Frauen und Männer ab 18 Jahren?»
Die Redakteurin vom Hessischen Rundfunk war letzte Woche ziemlich verblüfft, als ich ihr im Interview sagte, dass sich die Ukraine statistisch gesehen noch 40 Jahre lang verteidigen könnte, dass es dafür genug Männer gibt. „Man hört doch immer, dass an der Front Männer fehlen.“ Ja, an der Front, weil die Mobilisierung eben immer noch sehr liberal-demokratisch abläuft, im historischen Vergleich. Und weil den meisten Journalisten eine soziologische Grundausbildung fehlt verbreiten sie Märchen und Mythen, „gefühlte Wahrheiten“.
Nun gut, ich kann leicht daherreden, ich muss nicht dienen.
Aber nach wie vor will es mir nicht in den Kopf, warum keine Privatautos konfisziert werden, damit die Frontkämpfer genug haben, und nicht wir Volontäre mühsam welche besorgen müssen. Aber selbst mein zu Radikalität neigender Nationalisten-Freund „Pupsik“ sah mich empört an, als ich das Thema ansprach. „Wir sind doch keine Bolschewiki“, sagte er. Mein Mitfahrer Oleg meinte gestern zum Thema: „Das wäre nicht demokratisch.“
Wie viel Demokratie und Freiheit kann sich eine Gesellschaft während des Krieges leisten?
Schweres Thema. Ich bin nur Chronist, muss nichts entscheiden. Slava bogu.
Krieg im Traum
Ein zerschossenes Haus irgendwo in Deutschland, nur die Wände der unteren Etage stehen noch. Zusammen mit mir haben acht Menschen überlebt; was ich weiß ohne sie gezählt zu haben. Alle wuseln umher, suchen etwas, räumen auf, nur ich sitze am Tisch.
„Wir sollten alles Wichtige aufschreiben“, sage ich zu einer Frau an der Küchenspüle. „Wer hat noch Verbindungen in andere Städte, nach Hamburg oder Köln? Wer kann Auto fahren, wer kann Erster Hilfe leisten? Wir brauchen Bindemittel (ich meine Tourniquets)! Wo treffen wir uns, wenn auch dieses Haus hier zerstört wird?“ (Dabei ist es ja schon zerstört.)
„Du kennst dich aber gut mit solchen Situationen aus“, sagt der Autor St.D. (der kürzlich ein Buch darüber veröffentlicht hat, wie Deutschland ruzzlands Krieg finanziert). Er steht neben der Frau an der Küchenspüle und schneidet Tomaten mit einem Messer mit einer gezackten Klinge. Typisch Westler, denke ich, die haben scharfe Messer. (Dabei ist er gar kein Westler, aber im echten Leben solch ein Gentleman mit feinen Manieren, dass ich im vorigen Jahr dachte er sei ein Westler, nicht solch ein selbstgenügsamer Waldmensch wie ich.)
Ich wache auf, weil die Sirenen heulen.
Ich will zurück in den Traum, weiß aber, dass ich das nicht schaffen werde, und entscheide mich deshalb, an erotische Erlebnisse zu denken; das ist meistens das beste Einschlafmittel (in meinem Alter).
Statt an das Schöne zu denken, kommt mir der Satz des „Unterwerfungspazifisten“ I.S. in den Sinn, „Frieden schließt man nur mit Feinden“. Mir schwirren schweinische Worte durch den Kopf, die ich hier nicht wiedergeben kann. Soll er sich mal vergewaltigen lassen und dann zum Täter sagen: Jetzt schließen wir aber Frieden. Soll er mal an der Front die zerfetzten Gliedmaße seiner Brüder umherfliegen sehen und dann wieder schreiben: „Niemand will Krieg in Europa“; wie er das in seinem „Friedensmanifest“ tat, als die ruzzen schon den Donbas besetzt hatten und im Folterlager „Isolaziya“ Männer an ihren Genitalien aufhängten und mit Stromstößen quälten.
Schließlich schlafe ich aber doch ein.
Link: Allee der Helden, Poltawa, Dezember 2024
https://zmist.pl.ua/news/imena-360-zahysnykiv-na-shhytah-u-czentri-poltavy-vidkryly-aleyu-geroyiv
Vorschlag zur Güte
Die USA übergeben also das wehrlose, hilflose und konzeptionslose Europa an ruzzland, in der irrsinnigen Hoffnung, dass ruzzland sich von China abwendet, um China zu schwächen und selbst stärker zu sein. Den USA ist die Last zu schwer, Europa weiterhin mit dem Geld US-amerikanischer Steuerzahler zu verteidigen. Man kann das verstehen.
„500 Millionen Europäer benötigen 340 Millionen Amerikaner, um sich gegen 140 Millionen Russen zu verteidigen, die es in 3 Jahren nicht geschafft haben, 35 Millionen Ukrainer zu besiegen“, wie Heiko Bertram gestern schrieb, mit dem Zusatz: „Europa, Du bist armselig.“
Ich möchte nicht fluchen, sondern einen konstruktiven Vorschlag machen, der Europa retten kann: Übertragt eure Souveränitäten lieber an die Ukraine als an ruzzland. Lasst euch lieber von der ukrainischen Armee okkupieren, als von der ruzzländischen.
Das hat für euch viele Vorteile: Ukrainer zerstören eure Städte nicht, errichten keine Konzentrationslager (Filtrationslager), sie vergewaltigen und foltern nicht, sie verachten Europäer nicht. Sie achten die Menschenrechte, halten die Genfer Konventionen ein. Und das Wichtigste natürlich: Sie können euch gegen die ruzzen verteidigen. Das tun sie zwar jetzt schon, aber nur auf ukrainischem Boden. Mit euren ökonomischen und technologischen Möglichkeiten schaffen sie das auch für Europa. Voraussetzung ist natürlich, dass die Ukrainer das Kommando haben. Ihr kommt ja nicht zu Potte, seid selbst nicht fähig existenzgefährdende Risiken zu erkennen, geschweige denn, sie abzuwehren.
Also, Vorschlag angenommen? Ukrainische Militärverwaltung für Europa – letzte Chance für Frieden und Sicherheit.
Deutsche Spenden: Tasse Cappuccino mit Schokoladenkeks
Poltawa, 16.02.2025
Kurz zum Thema, weshalb es peinlich ist Deutscher zu sein
Die Deutschen haben im letzten halben Jahr ihre Militärhilfe für die Ukraine gesteigert – von monatlich vier Euro pro Kopf der Bevölkerung (mit deutscher Staatsbürgerschaft) auf jetzt vier Euro und fünfunddreißig Cent. Während man bei vier Euro noch sagen konnte, jeder Deutsche habe den Ukrainern monatlich den Gegenwert einer Tasse Cappuccino in einem Straßencafé spendiert, muss man heute der Fairness halber sagen, inzwischen geben sie noch einen Schokoladenkeks dazu.
«Allein nach dem Wert der gelieferten Waffen und den Finanzhilfen für militärische Zwecke liegt Deutschland mit 11 Milliarden Euro an zweiter Position.»
11 Milliarden geteilt durch 70 Millionen geteilt durch 36 Kriegsmonate.
Natürlich haut man sich in unzähligen „Redeschlachten“ die Milliardenbeträge um die Ohren, nicht den peinlichen Monatsbetrag pro deutsche Schnarchnase.
Armer Diderot, armer D’Alembert, wozu haben sie bloß die „Enzyklopädie oder ein durchdachtes Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Handwerke“ (Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers) herausgegeben. Wozu haben Montesquieu und Voltaire und Immanuel Kant das Denken erforscht und das rationale Handeln gelehrt. Völlig zwecklos, die heutigen Zweibeiner sind nicht einen Deut klüger als ihre Vorfahren. Im Gegenteil, sie wissen über ihre Gegenwart weniger als die Altvorderen; im Verhältnis zum Gesamtwissen weiß jeder Mensch jeden Tag immer weniger. Mit Hilfe von Rauchzeichen werden die wichtigsten Informationen genauer übertragen als mit Hilfe elektronischer Systeme.
PS: Wenn man den Angaben der Bundesregierung glaubt, könnten es inzwischen sogar 5,60 Euro pro Nase sein. Mir ist allerdings nicht klar, ob dabei die verschimmelten NVA-Granaten, sprich geerbtes Material aus der DDR, mitgezählt wurde.
Die goldene Milliarde
Poltawa, 14.02.2025
Aus putin-ruzzländischer Sicht sind Westler reich und hilflos, also ideale Opfer. „Die goldene Milliarde“ nennt der Kriegsherr im Kreml sie. Die in Schokolade leben, wie der Volksmund in ruzzland sagt. Man platzt vor Neid und hasst die „arroganten“ Westler, die ja offensichtlich vieles besser wissen und vor allem besser machen – mehr Patente anmelden, mehr neue listige Technologien entwickeln, bessere Autos bauen. Und dann leben sie auch noch länger leben, u.a. weil sie bessere Gesundheitssysteme haben und weniger Wodka saufen. Und neuerdings besitzen sie sogar die Unverschämtheit, den Ukrainern zu helfen, sich aus Moskaus imperialen Krallen zu befreien. Zwar nur halbherzig, ziel- und konzeptionslos, schüchtern und lieb gemeint. Aber das macht echte putin-ruzzen noch wütender. Das Weiche ist stärker als das Harte, das darf nicht sein. Der putler hat ja recht, wenn er sagt, dass Westler, die Verhandlungen fordern, für ruzzland gefährlicher sind als Waffenlieferanten, so verrückt das für gern im Frieden lebende Westler auch klingen mag. Natürlich ist die Softpower des Westens für putin-ruzzlands Existenz gefährlicher als militärische Hardware. Militärisch glaubt man ja gewinnen zu können, weil die Westler nicht sterben wollen, weil ihnen ihre Schokoladen-Leben unendlich viel wert sind. Aber Lebensfreude zu besiegen ist viel schwerer.
„Bei mir stirbt keiner“
Poltawa, 9.2.2025
Wieder Stoff zum Nachdenken und Schreiben, nach den Gesprächen mit Serhij in Saporischschja.
Er hat an den Fronten im Donbas schon mehr als 3000 Verwundete geborgen, häufig unter Beschuss. „Bei mir stirbt keiner“ ist sein Motto. Es hat sich bisher bewahrheitet. Mit diesem Satz motiviert er auch Verwundete. Für seinen Mut hat er schon etliche Auszeichnungen bekommen. Trotz seiner grässlichen Erfahrungen ist er vom Sieg überzeugt. „Wir können noch sechs Jahre kämpfen, die … (Mutterfluch) nicht.“ Er berichtet von Tagen, an denen Ukrainer drei Verwundete haben, die Sumpfsoldaten 50-100 „Gefallene“.
Wir waren auch am Grab seiner Schwester, die in ihrem Haus von einer Rakete aus den nördlichen Sümpfen getötet wurde. Das Haus stand in einem Rayon mit ausschließlich privaten Häusern, wir haben uns die Reste angesehen. Es ist allerdings möglich, dass die Sumpfgeschöpfe ein leer stehendes mehr-etagiges Haus treffen wollten, es steht wohl in der Flugbahn. Leider gibt es auch noch bürokratische Probleme mit der Entschädigung für das zerstörte Haus.
In den Trümmern des Hauses überlebte der Hund der Schwester, was die Mutter tröstet und erfreut. Der Hund ist aber traumatisiert, er zittert, wenn die Sirenen heulen (sehr oft) und verkriecht sich unter der Decke. Die Mutter weinte am Grab und sagte, sie wolle nicht mehr weinen.
Auf dem Friedhof war das Artilleriefeuer der Unseren deutlich zu hören. „Damit die … (Mutterfluch) sich nicht langweilen“, kommentierte Serhij.
Die Mutter fürchtete, wir könnten von Drohnen gejagt werden, so nah an der Front und zumal in einem Militärfahrzeug. Aber der Himmel war bedeckt, und es waren keine Drohnen zu sehen.
Für die Kinder im nächsten Dorf wurde eine unterirdische Schule gebaut.
Übrigens stehen die Chancen ganz gut, dass Serhij bald einen passenden Krankenwagen aus Deutschland bekommt. Ich hatte ihm im vorigen Jahr ja einen wertvollen Kontakt nach Deutschland vermittelt, diese Frau aus Hannover hilft sehr stark, zuletzt auch bei der Reparatur des Autos. Serhij kauft zwar alle möglichen Sachen vom eigenen Geld, aber das reicht eben nicht. Ohne die vielen Freiwilligen und die Spenden wäre unsere Verteidigung gar nicht möglich.