Joseph Beuys und die Mosaikkunst in Russland und in der Ukraine

Die Mosaike an den Buswartehäuschen in der Ukraine und in Russland stammen zumeist aus der Ära von Leonid Breschnew, 1965 – 82.
Anfang der 1960er Jahre breitete sich in der Sowjetunion der Busverkehr auf dem Lande aus, und die Дорожные павильоны (Warte-Pavillons) wurden häufig nach dem Vorbild der Moskau Metro-Stationen gestaltet.
Es handelt sich um säkularisierte, byzantinische Kirchenkunst. In der Zeit, als die Klöster und Kirchen nicht geschmückt werden durften, wurden die Orte des Wartens mit Mosaiken verziert. Das Material – farbige Steinchen – erhebt selbst einen nicht-säkularen Ewigkeitsanspruch. Der Grund jedoch, auf dem die Steine befestigt werden – normierte Betonplatten -, bietet wenig Haltbarkeit.

Es ist gleichzeitig auch Alltagskunst, die „für den Gebrauch“ bestimmt ist.  An den Kreuzungen in menschenleeren Landschaften wartet die Kunst. In den großen Städten hingegen sind Mosaike an Buswartehäuschen sehr selten.

Mit der Mosaikkunst sollte auch eine Angleichung des ländlichen mit dem städtischen Raum erreicht werden, nach dem Motto „Die Kunst kommt zu den Werktätigen“. Die Entfremdung zwischen Kunst und Leben, zwischen Künstler und Volk, sollten aufgehoben, die Arbeiter und Bauern sollten künstlerisch gebildet werden.

Obwohl diese Programme im Mantel der Ideologie auftraten, vom Staat verordnet wurden, sind sie verwandt mit der westlichen Avantgarde. Im Westen stiftete zur gleichen Zeit der Slogan von Joseph Beuys „Jeder Mensch ist ein Künstler“ zu Happenings an und verlieh dem Dilettantismus Aura. Auch Joseph Beuys wollte die Menschen mit Kunst ändern, sie erheben, ihr Selbstverständnis erweitern, ihren Begriff von sich selbst ent-technisieren, sie mit Hilfe ästhetischer Schulung zur Selbstbesinnung zu bringen.

Themen: Essays, Tour de Wolga

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