Was tun?
Berlin, 21.11.2025
Ihr müht euch ab und kämpft ums Überleben, aber am Ende entscheiden sie in Washington oder Moskau, was mit euch passieren wird, meinte mein Gastgeber gestern.
Ich widersprach ihm natürlich. Niemand kann den Ukrainern Entscheidungen aufzwingen. Solange es möglich ist, werden Ukrainer für ihre Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen (und meine Wenigkeit mit ihnen). Lieber stehend sterben als kniend leben („Lewer duad üs Slaw“).
Mein Gastgeber weist zu Recht darauf hin, wie weit weg sich der Krieg hier in Berlin „anfühlt“; auf entschlossene Unterstützung des Reste-Westens, sprich Europas, sei nicht zu hoffen.
Noch nicht, sage ich. Aber die Menschen hier werden noch lernen, dass sie, wenn sie überleben wollen, kämpfen müssen – und die Ukrainer in ihrem Kampf viel entschlossener als bisher werden unterstützen müssen. In dieser Hinsicht bin ich Optimist: Auch die Menschen in Berlin wollen leben. Zwar haben sie mehrheitlich noch nicht begriffen, was sie dafür tun müssen, aber sie werden es noch begreifen.
Mein Gastgeber bezweifelt auch das, mit nachvollziehbaren Argumenten, beispielsweise der Popularität Diktatur-freundlicher „Unterwerfungspazifisten“ (Ralf Fücks).
In diesem Fall, sage ich, werde ich das Spektakel genießen wie ein Drama im Theater. Natürlich kann ich als Einzelner nichts gegen die Selbstzerfleischungslust ganzer Gesellschaften tun. Unter anderem deshalb lebe ich ja lieber in der Ukraine, weil man dort über solche simplen Fragen nicht streiten muss. Sollten die Menschen im Westen zu schwach und nicht willens sein sich zu verteidigen und in vorauseilendem Gehorsam dem Terror-Staat ruzzland unterwerfen, so ist das eben so. „Denn sie wissen nicht was sie tun“ gilt ja für alle Epochen, auch in Gesellschaften mit unbegrenzten Freiheiten.
Mein Gastgeber vermutete, ich müsste doch verzweifelt sein angesichts der düsteren Aussichten auf die Zukunft. Nun, von wenigen Momenten abgesehen bin ich das nicht. Fast möchte ich sagen, mein Leben war noch nie so interessant wie heute. Der Kampf zwischen Lebens- und Todestrieb ist noch nicht entschieden. Aber ich kann sagen, ich bin dabei gewesen, als er tobte.
Passend hierzu meine Notizen zu einer Frage, die der Politikwissenschaftler Thomas Jäger stellte: „Glauben Sie wirklich, die Logik hinter Putins Strategie zu verstehen? Ist es nur Machtgier oder steckt ein rationaler, wenn auch zynischer, Plan dahinter, den wir im Westen übersehen?“
Die Strategien des kollektiven Putin ändern sich ständig, die Logik bleibt gleich. Im Westen wird fast alles Wichtige übersehen, vor allem die eigene Gefährlichkeit für kriminelle Regime – und wie zynisch die Gesprächs- und Dialogkultur auf diese wirkt, da sie keine anderen Möglichkeiten der Existenzsicherung haben als gewalttätige. Löwen können sich nicht von Schokoladenpudding ernähren.
Für Putin-Russland ist es attraktiv und lukrativ, den „Pfeffersäcken“ im Westen Angst einzujagen, sie zu erpressen und möglichst wieder der Gendarm Europas zu werden. Frieden und Stabilität sind für ruzzen ja langweilig, wie ihr Führer erklärte. Aus lauter Langeweile kopuliert die Macht im Kreml mit der Apokalypse, abgrundtiefer kann der Abgrund des Nihilismus nicht sein. Man will Action und nicht in Verhandlungen über unüberbrückbare Widersprüche einschlafen. In der Ukraine und im Westen locken reiche Beute. Der zynische Plan des kollektiven putin ist es, so zu sein wie man ist.
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