Corinna Harfouch liest „No“

Regie: Christoph D. Brumme

Hörprobe

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Roman:
No
(1994 unter dem Titel: Nichts als das erschienen)
ISBN 978-3-937717-23-4 (WG 1 112)
192 Seiten, Softcover
€ 14,80
Erscheinungstermin: 15. Mai 2008

Hörbuch:
ISBN 978-3-937717-30-2 (WG)
5 CDs , 8 Seiten Booklet
€ 22,80
Erscheinungstermin: 5. September 2008

No wächst in einem Landstrich auf, der seit der Walpurgisnacht in Goethes „Faust“ nicht mehr ganz geheuer ist: Auf dem Brocken zwischen Elend und Schierke tanzten einst die Hexen. Tiefstes Deutschland: Vor nicht allzu langer Zeit verlief hier im Harz die empfindliche Grenze der beiden deutschen Staaten – in Brummes Roman rückt diese Zeit in eine gläserne Ferne. No lebt tatsächlich in jenem Dorf namens Elend, zusammen mit seiner Familie, die noch namenloser ist als er selbst: Vater, Mutter, der älteste Bruder, der ältere Bruder, die Schwester, der jüngere Bruder. No bewegt sich, wie alle Kinder, als Fremdling in einer Welt, die er erst entdecken wird. No ist ein Nobody, ein Kind ohne Eigenschaften, noch jenseits von Gut und Böse.

„No war eine Schachfigur, ein Springer nämlich. Er hatte ein Pferdegesicht und ein aus Holz geschnitztes Maul.“ Der hakenschlagende Springer allerdings ist die unberechenbarste aller Schachfiguren: eins grad, eins schräg. „No war ein falscher Hund, ein falscher Fuffziger: mal so und mal so. Er konnte jederzeit das Gegenteil von dem sagen, was er gerade gesagt hatte.“
Nos Vater ist ein professioneller Erzieher: Als Lehrer hat er Psychologie studiert („Das war eine Wissenschaft, mit der man lernte, wie es in Kindern innen aussah.“) und lehrt seine Kinder mit kalter Konsequenz das Prinzip Unterwerfung. Wutausbrüche oder Jähzorn gibt es bei ihm nicht: Im Gegensatz zur ständig heulenden Mutter ist ihm der Ärger nie anzumerken. Seine Erziehungsmethoden – zutiefst protestantisch deutsch – folgen kühler Berechnung. Wie das Schachspiel, das er der ganzen Familie beigebracht hat.

Bei Christoph D. Brumme erscheint die DDR – im nüchternen Blick eines Kindes – als vieldeutige Metapher. Das Kind mit Namen No versteht nicht, erklärt nicht – es nimmt nur wahr, ganz ungestört, denn No ist allein. Nicht einmal der Erzähler ist auf seiner Seite.

„Wenn No etwas kannte, dann den Stock. Mit diesem Stock bekamen No und Nos Brüder öfter mal eine Tracht Prügel, wenn es nötig war, wie Nos Vater sagte. Es war oft nötig, eine Zeitlang sehr oft, eine andere Zeitlang weniger oft, aber immer noch oft genug.“ Nötig ist es dann, wenn das Kind „Fehler“ macht. In der pädagogischen Dialektik von richtig und falsch geht alles auf, ohne Rest, folgerichtig behält Nos Vater immer recht. Einzig Nos Brüder machen ihm Vorwürfe, als sie das Haus verlassen – der unsichtbare Erzähler dagegen hält sich raus. Ja es scheint gar, als stünde er auf der Seite des Vaters, zum Beispiel an jenem Neujahrsmorgen, als No seinen Eltern ein frohes neues Jahr wünschen will, nachdem er mit Knallerbsen den Teppich ruiniert hat.

„Sein Vater holte aus, schlug zu, das saß. No flog mit dem Kopf gegen die Wand, neben den Kleiderständer. Benommen blieb er liegen. Das hatte er nun davon, daß er nicht achtgegeben hatte.“

Der letzte Satz klingt nach – so leise kann man rohe Gewalt erzählen. Der Schreck darüber hinterläßt im Text keine Spuren – er entsteht, mit Zeitverzögerung und um so wirksamer, im Kopf der Leser. Mit sanftem, kühlem Sog fließt diese Prosa von Szene zu Szene, sorgfältig komponiert, ohne Lücken für das Mitgefühl.

Sieglinde Geisel, FREITAG, 2.9.1994

Weitere Rezensionen unter: http://christophbrumme.de/presse.php

Themen: Literatur

2 Kommentare to “Corinna Harfouch liest „No“”

  1. T Nause schreibt:
    11th.April 2008 um 23:40

    Ja toll, herzlichen Glückwunsch! Ich hoffe, „Nichts als das“ findet in dieser Form noch ein paar neue Leser bzw. Hörer.
    Und, finden denn ein paar Leser auch bald ein neues Buch?
    Liebe Grüße
    Tanja

  2. michael schreibt:
    18th.April 2008 um 12:10

    mensch brumme…da hast du mir eine lektüre auf den nachtisch gelegt. heute früh zu ende gelesen… mit deinen essays, reisegeschichten etc. hattest du mich schon überrascht und freude bereitet, aber „no“ sprengte meine erwartungen. vor allem deine sprachliche intensität hat meinen nerv getroffen, dazu der traumatische stoff, im ganzen für mich sehr gute literatur.
    wegen meines kulturbanausentums nicht vom höchsten wert, aber ich gebe dir trotzdem den ritterschlag: „no“ ist sehr empfehlenswert!

    so…jetzt ruhe auf deinen lorbeeren!

    gruß michael

Kommentare

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