An der Grenze
Die LKW-Schlange ist weit kürzer als sonst, etwa einen statt wie sonst zehn bis zwanzig Kilometer lang. Die Polen winken mich rasch durch, trotz der eingerissenen Seite im Pass. Auf ukrainischer Seite sorgt mein Auftritt gleich für Heiterkeit.
Mit dem Fahrrad nach Russland? Man guckt mich an, als sei das unmöglich. Einer der Grenzer, der den Eindruck macht, als könne er in der Fremdenlegion das nächste geheime Kommando übernehmen, fragt: Und wenn es regnet?
Solch ein Quatsch, denke ich. Es regnet seit Tagen, und ich bin nicht der eiserne Holzfäller, der Angst haben muss zu rosten. Die Kälte ist etwas unangenehm, besonders in den Füßen. 175 Kilometer habe ich heute schon in den Beinen.
Das kleine Einreiseformular ist rasch ausgefüllt, die Nummer vom Fahrrad brauche ich diesmal nicht suchen, auch der Pass wird nur kurz einer Prüfung unterzogen. Einige Kilometer fahre ich noch, aber nicht die knapp 80 bis nach Kovel.
Leeren Wald gibt es ausreichend im zweitgrößten Land Europas; unter Kiefern und im hohen Gras findet sich ein schönes Plätzchen. Der Kuckuck schreit ganz aufgeregt – Jetzt ist dieser Deutsche wieder da!
Es regnet gleich wieder, so dass ich die Plane aufs Zelt legen muss, aber sehen kann ich ohnehin nichts im dampfenden dunklen Wald, weder die Sterne, noch den schreienden Vogel.
Letzte Zeilen im Kopf: Was ist Luxus? Jederzeit über die eigene Zeit verfügen zu können, jederzeit denken zu können. / Das Leben ist kostbar doch und jeder Moment zählt. / Hephaistos fluchte über die neuen Lehrlinge. Er warf den Schmiedehammer ins Feuer und rief: Die Kunst ist tot, sie hat keine Zukunft mehr! –
Also noch einmal das Licht anknipsen, dies notieren, dann schlafen.
Kuckuck! Kuckuck!
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