Das Unbekannte so nah

Der „Blaue Elefant“ wird auf der „SWR-Bestenliste“ empfohlen. 30 Literaturkritiker erstellen diese Liste einmal im Monat. Einer, Wolfgang Werth, spricht eine persönliche Empfehlung für das Buch aus. Im Verlag freut man sich.-
Meine Medaille ist die Bemerkung über die Mosaikkunst: „Sowjet-Kuriosa, die ihr Entdecker als Kulturerbe würdigt.“ (Wolfgang Werth)
Nur als Kulturerbe? Auch als eigenständige Kunst. Die NZZ schrieb, die Mosaike an den Wartehäuschen seien  „eigenwillig schöne, von der Kunst- und Kulturgeschichte unbeachtete Kathedralen eines kleinen Unterwegsseins“.

Wie auch immer, es wird öffentlich wahrgenommen, dass es im wilden, verrückten, so undurchschaubaren Osten auch etwas zu entdecken gibt, jenseits vom ungerechtfertigten bösen Ruf.

Erst gestern berichtete mir eine Journalistin, die in Berlin lebt und für ein russisches Hochglanz-Magazin schreibt, von Interviews, die sie mit Berliner Schülern durchgeführt hat. Erstaunlich für sie, wie komplex die Schüler denken, dass sie tatsächlich geübt darin sind, Wahrheiten auch aus mehreren Perspektiven zu überprüfen. Ebenso erstaunlich, wie viel die Schüler über den Holocaust wissen. Skandalös jedoch, dass sie nichts über die Sowjetunion wissen. Der Krieg im Osten hat für Berliner Schüler nicht stattgefunden.

Das Schweigen, das offensichtlich zwischen den Generationen herrscht, zeigt, wie wenig die Gesellschaft über sich selbst weiß. Die Großväter sind bei Stalingrad gefallen, die Eltern waren Mitglieder der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft oder glühende Antikommunisten, die Enkel spielen Pokémon.

Themen: Tour de Wolga

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