Denk ich an Deutschland in der Nacht

In einigen Tagen fahre ich nach einem Jahr in der Ukraine wieder nach Deutschland. Meine derzeitige Beziehung zu meinem Herkunftsland habe ich heute versucht „lyrisch zu verarbeiten“.

Denk ich an Deutschland in der Nacht
Im Luftschutzkeller von Poltawa
Denk ich an Unschuldige mit blutigen Händen
Die hohle Worte mit Blut färben
Und sie färben und färben die hohlen Worte
Mit Blut Aber nicht mit ihrem eigenen
Sie waschen die Hände in reinem Wasser
Und trinken reines Wasser
Und baden in reinem Wasser
Weil sie so reine Wesen sind
Die Reinlichkeit lieben

Namen sind Schall und Rauch
Minister Kanzler Präsidenten Beamte
Siebzig Prozent der Bevölkerung
Sehen jahrelang gespannt und entspannt zu
Glaubst du, die Russen wollen Krieg, die Wetten stehen günstig
In die Ukraine liefern wir keine Waffen das ist Krisengebiet, wir halten uns da raus, wir haben doch etwas aus der Geschichte gelernt! Wir helfen lieber Russland seine Armee zu modernisieren, dort herrscht Ordnung. Die USA sind auch nicht ohne, das muss man wissen.

Sandkastenspiele Selbstbefriedigung Selbstverblendung
Ihre Zungen verhaspeln sich nicht
Ihre Gesichter erröten nicht
Ihre Hände flattern nicht
Ihre Augenlider hängen nicht herab
Sie tun was sie können
Denn sie wissen nicht was sie tun

„Wie schreibt man GEMÜTLICHKEIT
Unseren täglichen Mord gib uns heute
Denn dein ist das Nichts Ekel
An die Lügen die geglaubt werden
Von den Lügnern und niemand sonst Ekel
An die Lügen die geglaubt werden Ekel
An die Visagen der Macht gekerbt
Vom Kampf um die Posten Stimmen Bankkonten Ekel“
Heiner Müller, Die Hamletmaschine

Die Russen fühlen sich bedroht, das muss man doch verstehen
Die Millionäre wollen den Obdachlosen das letzte Stück Brot klauen
Das größte Land der Erde ist zu klein
Niemand will Krieg
Mit denen die in Blut baden muss man mehr reden
Die Gefühle der Mörder dürfen nicht verletzt werden

Christoph Brumme, Poltawa, 20.06.2023

Themen: Politik und Gesellschaft

3 Kommentare to “Denk ich an Deutschland in der Nacht”

  1. ein Berliner schreibt:
    20th.Oktober 2023 um 18:38

    „… Gottlob! durch meine Fenster bricht
    Ukrainisch heitres Tageslicht;
    Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
    Und lächelt fort die deutschen Sorgen.“
    frei nach: <>
    von Heinrich Heine (1797-1856)

  2. Honigdachs schreibt:
    21st.Oktober 2023 um 09:22

    Wenn die Wirklichkeit nur so schön wäre wie in der Poesie dargestellt …

  3. ein Berliner schreibt:
    23rd.Oktober 2023 um 17:13

    aus dem Gedicht: Без надії таки сподіватись
    „… Буду жити! — Геть думи сумні!“
    Леся УКРАЇНКА, 2 травня 1890 p.

Kommentare

  • Honigdachs-Galerie

  • Themen