Interview für das Inforadio des Hessischen Rundfunks

Das Inforadio des Hessischen Rundfunks / hr-iNFO bat mich (mal wieder) um ein Interview. Vorab skizzierte die Redakteurin die Fragen, über die man sprechen könnte. Ich bereitete mich vor, aber das Gespräch verlief dann natürlich etwas anders.
„Wir möchten gerne auf die Lage in der Ukraine zu Beginn des Winterhalbjahres blicken, auch vor dem Hintergrund, dass viele Beobachter sich im Moment verstärkt um die langfristige militärische Unterstützung der Ukraine sorgen. Wie blicken die Menschen in der Ukraine in dieser festgefahrenen Situation auf die nächsten.

Fragen könnten sein: Wie bereiten sich Menschen auf diesen zweiten Herbst und Winter im Krieg vor? Wie ist die Stimmung vor dem Hintergrund, dass der Sommer nicht wie erhofft die Befreiung großer Gebiete möglich gemacht hat? Gibt es in dieser Situation auch Ukrainer, die für eine Art von Verständigung mit den Russen eintreten? Oder gilt das den Menschen nach wie vor als absolut unmöglich?“

Zweifel an Waffenlieferungen ?
– In dieser Diskussion ist viel heiße Luft. Die objektiv gegebenen Umstände und das Verhalten Putin-Russlands zwingen die westlichen Partner ja zur Unterstützung der Ukraine.
Oder muss man davon ausgehen, dass der Westen kollektiven Selbstmord begehen wird und Moskau gegenüber tributpflichtig werden möchte? Oder will man Putin erlauben, das Recht bzw. Unrecht des Stärkeren durchzusetzen? Putin will das Faustrecht mit Hyperschallraketen, schrieb ich ja schon im Januar 2022 in der Neuen Zürcher Zeitung.
– Aus ukrainischer Sicht wirkt es natürlich makaber, dass der Deutsche Bundeskanzler den Ukrainern quasi sein Misstrauen ausspricht. Er glaubt ja offensichtlich den ukrainischen Zusicherungen nicht, westliche Waffen nicht gegen russisches Staatsgebiet einzusetzen. Die meisten Ukrainer sind aber überwiegend dankbar für die deutschen Hilfe, für zivile wie militärische.

Wie blicken die Menschen in dieser festgefahrenen Situation auf die nächsten Monate ?
– Der Winter wird hart, das wissen alle. Die Russen werden wieder Elektrizitätswerke beschießen. Sie wollen den Widerstandswillen der Ukrainer brechen. Aber das wird ihnen nicht gelingen.
Cholodomor nennen die Ukrainer das. Tötung durch Kälte. In Erinnerung an den Holodomor aus der Stalin-Zeit, das Töten durch Hunger. Der Holodomor wurde inzwischen auch vom Deutschen Bundestag als Genozid eingestuft.
Beide genozidalen Versuche werden übrigens in Moskau in den gleichen Räumlichkeiten geplant, im Kreml und in der Geheimdienstzentrale Lubjanka. Die Ukrainer haben ja jahrhundertelange Erfahrungen mit russischen Vernichtungskriegen.

Wie bereiten sich Menschen auf diesen zweiten Herbst und Winter im Krieg vor?
– Wer das Geld dafür hat, kauft Strom-Aggregate und Powerbanks. Viele Menschen legen mehr Lebensmittel-Vorräte an als in Friedenszeiten.
– Die Behörden berichten, dass man sich so gut wie möglich auf die zu erwartenden Zerstörungen und Stromausfälle vorbereitet. Ersatz-Generatoren stehen bereit. Die Mitarbeiter der Strom-Produzenten gelten sowieso als Helden. Auch unter schwierigsten Bedingungen werden sie das Bestmögliche geben.
– Ein Vorteil ist natürlich, dass die Ukraine in der Digitalisierung nicht so ein rückständiges Land wie Deutschland ist. Die Verbreitung der wichtigen Informationen funktioniert sehr gut. Und die meisten Angelegenheiten mit Behörden kann man digital erledigen.
– Außerdem werden sogenannte „Punkte der Unbesiegbarkeit“ eröffnet, wo sich die Ukrainer aufwärmen können, Erste Hilfe bekommen, Telefone aufladen können.

Wie ist die Stimmung vor dem Hintergrund, dass der Sommer nicht wie erhofft die Befreiung großer Gebiete möglich gemacht hat?
– Die berühmte deutsche Frage nach der Stimmung im Krieg, ich liebe sie. In welcher Stimmung ist ein Ertrinkender?
Optimismus und Traurigkeit halten sich die Waage. Die Ukraine wird siegen und ihr gesamtes Territorium befreien. Daran besteht kein Zweifel. Es wird so lange gekämpft, wie es nötig ist. Man hat keine andere Wahl.
Gibt es in dieser Situation auch Ukrainer, die für eine Art von Verständigung mit den Russen eintreten? Oder gilt das den Menschen nach wie vor als absolut unmöglich?
– Das ist ein völlig absurder Gedanke, dass man mit Putin-Russland substantielle Vereinbarungen treffen kann. Ukrainer wissen das, weil sie Russisch verstehen. Und weil sie sehen, welcher Irrsinn die russ. Gesellschaft erfasst hat.
– Margarita Simonjan, eine der schrecklichsten russischen Propagandist-Innen, hat diese Woche vorgeschlagen, über Sibirien (!!!!) eine Atombombe abzuwerfen – um dem Westen zu zeigen, dass es Russland jetzt aber ganz ernst meint mit der Apokalypse. Aber das gefiel den Menschen in Sibirien gar nicht und den vielen Strahlenopfern in Russland auch nicht.
Bisher hatte man immer westliche Städte und Länder als Ziele für russische Kernwaffen genannt,
jetzt schon ganz verzweifelt das eigene Land – wohl, um keinen Gegenschlag zu riskieren.
Wie soll man mit solchen Leuten aus der Putin-Clique verhandeln, die solche kranken Ideen haben und unzählige Male gelogen haben, alle internat. Verträge gebrochen haben? Russische Politiker haben nur ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit, das wissen Ukrainer. 

Themen: Russland - Ukraine

2 Kommentare to “Interview für das Inforadio des Hessischen Rundfunks”

  1. ein Berliner schreibt:
    23rd.Oktober 2023 um 20:18

    Aus den 5000 Helmen des BMVG für die Ukraine hat sich inzwischen eine wundersame Wandlung ergeben, wie man den Medien entnehmen kann. Viele Dinge müssen aber im Verborgenen bleiben, denn auch für die Ukraine gilt: „Der größte Lump im ganzen Land, ist und bleibt der Denunziant (m/w/d).“ Im krassen Gegensatz dazu gibt es unzählige Menschen, die die Lage in der Ukraine aufopferungsvoll in Richtung Sieg beeinflussen. Vor einigen Tagen sah ich im Kabel-TV die Reportage <> mit deutschen! Untertiteln. Der internationale Fronteinsatz für die Ukraine und die Werte der Demokratie, ist mit dem hohen Preis des eigenen Lebens und der Kameraden verbunden.

  2. ein Berliner schreibt:
    23rd.Oktober 2023 um 20:27

    Die Reportage des Senders TV 5 lautet: Belges en Ukraine: au coeur des combat

Kommentare

  • Honigdachs-Galerie

  • Themen