Mein heutiges Live-Interview für den Südwestrundfunk. Text und Audio. Ob Russland den Krieg gewinnt, wollten sie wissen.

– Sie haben uns in Interviews wieder immer geschildert, dass Sie froh sind morgens gesund und unversehrt aufzuwachen. Wie geht es Ihnen heute früh?
– Das ist heute auch der Fall. Die Nacht war ruhig, es gab keine Warnungen vor anfliegenden Raketen. Das ist insofern erstaunlich, weil es ja vor zwei, drei Tagen sehr heftig war, da war alle zwei, drei Stunden Luftalarm. Und da wird einem natürlich immer, ja, ein bisschen angst und bange.

– Also auch nach zwei Jahren ist der Krieg kein Alltag für Sie?
– Er ist Alltag, leider, und viele Freunde sind ja an den Fronten, und mit vielen stehe ich in Kontakt, und viele werden jetzt noch zum Militär gehen, Freiwillige meistens. Deswegen, der Krieg ist allgegenwärtig, und die Sirenen hört man auch in den Köpfen, und man sieht die Kinder, die verängstigt sind, wenn Luftalarm ist. Also der Schrecken hält nach wie vor an.

– Was ist denn heute in Ihrem Leben anders als vor zwei Jahren?
– Ich kann keine Romane mehr schreiben, ich kann mich nicht auf Literatur konzentrieren. Ich beschäftige mich fast nur mit Krieg und Politik – und staune auch und bin traurig, was da in Deutschland passiert. Sie sprechen von der Zeitenwende, aber es sind ja doch mehr Worte als Taten. Vielleicht hat man das in Deutschland mitbekommen, der Ex-Präsident Russlands Medwedew hat wieder damit gedroht, Berlin in Schutt und Asche zu schießen, und in Deutschland diskutiert man darüber, ob man da 100 oder 200 Milliarden Euro für die Ausstattung der Bundeswehr hat. Das ist unverständlich.

– Sie sprechen es an, Sie haben Deutschland immer wieder kritisiert wegen seiner zögerlichen Haltung, die Ukraine in diesem Krieg gegen Russland zu unterstützen. Nun tut Deutschland aber mehr inzwischen. Stimmt Sie das nicht ein Stück weit versöhnlich?

– Es geht nicht um Versöhnlichkeit, es geht um konkrete Fakten. Vor zwei Tagen habe ich gelesen, dass die Bundesregierung bis heute nicht weiß, wie viele Artilleriegeschosse in Deutschland in den letzten zwei Jahren produziert wurden. Da muss es doch eine zentrale Kommission, eine zentrale Task-Force geben, die die Verteidigungsbemühungen koordiniert.

– Haben Sie Angst, dass Russland den Krieg gewinnt?
– Nein, Russland wird diesen Krieg nicht gewinnen, im Sinne von: seine Kriegsziele erreichen. Das habe ich immer gesagt. Die Ukrainer machen sich keine Illusionen, im Gegensatz zu den Deutschen. Sie werden kämpfen, und sie haben das ja auch oft gezeigt, dass sie das erfolgreich tun können. Aber wenn sie vom Westen halb im Stich gelassen werden, nur halbherzig unterstützt werden, dann wird das natürlich schwierig.
– Die halbherzige Unterstützung des Westens, die Sie da ansprechen, die könnte zunehmen, sollte Donald Trump nächster US-Präsident werden. Dann könnte der wichtigste Unterstützer für die Ukraine wegfallen, das sind zur Zeit die Vereinigten Staaten. Was dann?
– Europa ist eigentlich ökonomisch stark genug, sich selbst verteidigen zu können. Die Amerikaner würden weiterhin den Nuklearen Schutzschilm anbieten und den Atlantischen Ozean sichern. Und den Rest muss Europa selber machen. In Europa leben mehr Menschen als in Russland, Europa hat die größere Wirtschaftskraft. Es fehlt der politische Wille und die politische Klarheit.

– Also Sie haben keine Sorge davor, dass die USA als Unterstützer für die Ukraine in diesem Krieg gegen Russland ausfallen könnten?
– Das ist nicht die entscheidende Frage. Meines Erachtens ist in dieser Diskussion viel heiße Luft. Weil: Die objektiv gegebenen Umstände und das Verhalten Putin-Russlands zwingen den Westen dazu, sich selbst zu verteidigen. Es ist nur traurig, dass man das so spät versteht. Desto mehr Ukrainer müssen sterben.

– Viele Ukrainerinnen und Ukrainer müssen sterben. Über eine Million sind in den vergangenen Jahren aber auch nach Deutschland geflüchtet. Für Sie, Herr Brumme, kam das nie in Frage. Das haben Sie uns immer wieder in Interviews gesagt. Werden Sie auch in Zukunft bei dieser Entscheidung bleiben?

– Ja, natürlich, ich werde so lange hierbleiben wie es möglich ist, wie ich mich lebendig fortbewegen kann. Ich könnte nicht in Deutschland leben. Ich fürchte es würde mich aggressiv machen, welche Illusionen sich die Deutschen machen über Russland, und dass sie angesichts solcher morbiden Vernichtungsfantasien, die da in Moskau permanent geäußert werden, immer noch von Verhandlungen mit Putin, mit Terroristen, mit Massenmördern träumen. Also, ehrlich gesagt, da würde ich verrückt werden in Deutschland (lacht).

https://www.swr.de/swraktuell/radio/alltag-nach-zwei-jahren-ukraine-krieg-100.html

Themen: Literatur, Russland - Ukraine

Ein Kommentar to “Mein heutiges Live-Interview für den Südwestrundfunk. Text und Audio. Ob Russland den Krieg gewinnt, wollten sie wissen.”

  1. Realist schreibt:
    20th.Februar 2024 um 01:42

    Zum Beweis der permanenten Bedrohung von Leib und Leben in der Ukraine, verweise ich auf eine Luftalarmkarte der Ukraine in deutscher Sprache. https://alerts.in.ua/de Die Daten und Statistiken der Karte werden laufend aktualisiert. Offenkundig, jeglicher Mangel bei der Verteidigung der Ukraine führt zum Vorteil des ru. Angreifers. Nachdem die NATO im Jahr 2021 so schmählich aus Afghanistan floh und das Land dem Terror überließ, dürften doch wohl weitaus mehr gemeinsame internationale Anstrenungen zum Schutz vor einer ru. Welt zu erwarten sein. … und wieder versagt!

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