Wie man (als Deutscher) im Krieg nicht verrückt wird

Poltawa, 19.06.2024
Ich habe mir den Krieg viel schlimmer vorgestellt, vor ruzzlands Überfall auf die Ukraine. Das klingt absurd, ich weiß. Aber ich hatte ja regelmäßig ruzzisches Propaganda-Fernsehen gesehen, um zu verstehen, was der Feind plant. Und dort wurde detailliert geschildert, wie die ruzzländische Luftwaffe innerhalb von drei Tagen ukrainische Großstädte wie in Syrien in Schutt und Asche bomben wird, woraufhin „Spezialtruppen“, sprich KGB/FSB „die restlichen Aufgaben“ erfüllen werden, d.h. mindestens 1,5 Millionen Ukrainer in Lagern internieren werden.

Die Moskauer Genozid-Pläne aus der Zeit des Holodomor waren in der Lubjanka und im Kreml demnach nur „modernisiert“ worden.
Ich war davon ausgegangen, dass die ruzzen in den ersten drei Tagen alle Brücken über den Dnipro zerstören, und wir dann hier in Poltawa in einer Falle sitzen werden. Deshalb hatte ich 2021 ein Haus westlich des Dnipro gesucht, um dort eine Basis zu errichten.

Zum Verrücktwerden war damals und ist bis heute „das brillante Narrenspiel der Hoffnung“ (Jacob Burckhardt) im Westen.
Ein Beispiel aus den letzten Tagen: Zur besten Sendezeit erklärt im 1. deutschen TV-Programm ein pensionierter Oberst, „der seit 30 Jahren – auch in Ausübung seines diplomatischen Dienstes – viel mit russischen Vertretern gesprochen hat und weiterhin ‚informell‘ spricht“ (sich einwickeln lässt), dass für die ruzzen „drei Dinge unverzichtbar“ seien:
„An erster Stelle sei von russischer Seite – auch bei den Friedensverhandlungen von Istanbul im März 2022 – immer eines gesagt worden: ‚Haltet uns die NATO vom Leib!‘ An zweiter Stelle komme der Schutz der ‚russland-affinen Bevölkerung‘ innerhalb der Ukraine, und an dritter Stelle kommen die Stützpunkte der Schwarzmeer-Flotte. ‚Was sie NICHT treibt, ist ein Angriff auf das restliche Europa, die Gesamtkontrolle der Ukraine.'“ –

Wenn das nicht so traurig wäre, könnte man über solchen Unsinn vielleicht lachen. Seit 30 Jahren redet der Oberst mit den ruzzen, doch das Wichtigste hat er noch nicht gelernt, das tschekistische Doppelsprech. Man fragt sich, wozu man in Deutschland die Stasi-Archive geöffnet hat. Da könnte man die tschekistischen Methoden studieren. Das Lügen gehört zum Handwerk, Genosse Oberst! Natürlich sagen die ruzzen einem Ausländer nicht, was sie wirklich wollen — v.a. Freiheit und Demokratie in der Ukraine verhindern und die ukrainischen Reichtümer, Bodenschätze, Fabriken, Getreide etc. stehlen. „Haltet uns die NATO vom Leib!“ bedeutet: Hindert uns nicht am Stehlen und an der Versklavung der Ukrainer! (Ich habe gestern einen Artikel zu diesem Thema beendet, er wird am Sonntag erscheinen.)
Und was den Angriff auf Europa angeht, so kennt der Oberst eine bekannte Schach- und Kriegsregel nicht, nämlich, dass die Drohung oft stärker ist als die Ausführung – eines Zuges, einer Entscheidung.
Das Märchen vom „Schutz der ‚russland-affinen‘ Bevölkerung“ muss man m.E. nicht kommentieren, jedenfalls nicht hier. Ich will keine Asche kauen.

Wie also wird man nicht verrückt in dieser verrückten Welt, in welcher Westen nur noch eine Parodie seiner selbst ist? Indem man auf Ukrainerinnen und Ukrainern schaut und sie sich zum Vorbild nimmt. Während die Phrasendrescher im Westen allen Ernstes noch immer behaupten, mit Massenmördern friedliche Kompromisse schließen zu können, weil der Westen und die Ukraine zusammen angeblich nicht stark genug seien, die ruzzländische Maschinerie des Todes aufzuhalten, tun Ukrainerinnen und Ukrainer weiterhin das einzig Richtige: Kämpfen und Handeln, so schwer es auch fällt!
In diesem Sinne: Слава України!

Themen: Russland - Ukraine

4 Kommentare to “Wie man (als Deutscher) im Krieg nicht verrückt wird”

  1. Andreas Moser schreibt:
    19th.Juni 2024 um 12:44

    Und selbst wenn man gar keine Ahnung von den KGB-Methoden hätte, so müsste man aus der deutschen Geschichte doch wirklich wissen, wie man mit Aggressoren umgehen muss.

  2. Honigdachs schreibt:
    19th.Juni 2024 um 16:11

    Stimmt, müsste man. Aber Aggressor ist für viele wahrscheinlich schon ein „abgelutschtes“ Wort.

  3. Honigdachs schreibt:
    19th.Juni 2024 um 18:57

    Übrigens faszinierender Blog, den Sie da betreiben! Kompliment! „Vor dem Erschießungskommando, aber stilvoll“ – herrlich!
    https://andreas-moser.blog/2021/09/11/erschiessungskommando/

  4. Realist schreibt:
    20th.Juni 2024 um 18:40

    Was haben ein pensionierter deutscher Oberst und ein kleiner giftiger Kreml-Dackel gemeinsam? – Antwort: Das fehlende Gespür für die unzähligen verdeckten Feinheiten des Widerstands innerhalb der Ukraine. Der Euromaidan 2013/14 gab einen Vorgeschmack dessen, wie weit die Bevölkerung der Ukraine für ihre Würde und Freiheit zu gehen bereit ist.

Kommentare

  • Honigdachs-Galerie

  • Themen