Notizen zum Krieg (12) – Du sollst ein rotes Wortes nicht färben
20.09.2024
Notizen zum Krieg (12) – Du sollst ein rotes Wortes nicht färben
Mein Leben wäre deutlich leichter, wenn ich kein Deutsch verstehen würde. Unter den Worten, die mir körperlich weh tun, sind die weitaus meisten deutsche, auch etliche russische, und nur wenige ukrainische. Letztere solche, die mit Trauer verbunden sind, und russische vor allem Mutterflüche. Im Deutschen lösen schon solche unschuldigen Worte wie „Verhandlungen“ oder „Stimmung“ Zahn- und Kopfschmerzen in mir aus; manche auch Lach- und Schreikrämpfe, wie z.B. „Frieden“.
„Frieden schließt man nur mit Feinden“, doziert ein deutscher Zeuge des Sofas. Die Sprachen der Feinde versteht er nicht, aber dass eine „übergeordnete Moral“ auch für Lustmörder und Terroristen gilt, dessen ist er sich gewiss. Weil irgendwie muss das ja so sein, damit seine Gefühlswelt nicht durcheinander gerät.
Die meisten Russland-Ukraine-Diskurse verharren in Deutschland in den Sphären der Gefühle und Wünsche. Würden Ukrainer auf diesem Reflexionsniveau festkleben, wären sie schon tot oder versklavt worden oder geflohen.
Schon klar, das deutsche Publikum ist anspruchsvoll, denn es hat schon viele Kriege „gesehen“, an denen es nicht teilnehmen musste. Schon gar nicht musste es jemals gegen einen Feind kämpfen, der es vernichten wollte, zusammen mit seiner Sprache und seiner Kultur. Selbst Stalin meinte, die Hitlers kommen und gehen, das deutsche Volk aber bleibt bestehen.
28.09.2024
Die ruzzen haben das Haus meines Freundes S. in Saporoshje zerbombt. Seine Mutter und seine Schwester sind schwer verletzt, seine Schwester liegt auf der Intensivstation, es ist unsicher, ob sie überleben wird. Falls ja, so wird sie mindestens ein Jahr im Krankenhaus bleiben müssen, so die derzeitige Prognose. Teure Operationen müssen bezahlt werden.
Militärische Objekte oder militärische Technik waren nicht in der Nähe des Hauses.
S. rettet als Sanitäter bei den Kämpfen im Donbas tagtäglich Soldatenleben, faktisch immer unter Beschuss, also selbst ständig in Lebensgefahr. Jetzt ist er natürlich fix und fertig. Wir (Jens Piske) hatten im Sommer Geld gesammelt, um seine Einheit mit Medikamenten und Binden und einem Nachtsichtgerät zu versorgen.
Schwer, nicht in Depressionen zu versinken und zu verbittern, auch angesichts der bizarren Waffen-Diskussionen im somnambulen Westen. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Lerneffekte in Deutschland selbst nach mehr als 2,5 Jahren Krieg gleich Null sind. Wahrscheinlich können die Deutschen nur auf die harte Tour lernen, es muss ihnen selbst weh tun, damit sie aufwachen.