Dienstreise
Poltawa, 19.11.24
Vorfreude: Diese Woche fahre ich wieder in den Oblast Charkiw, „in den Schatten heißer Linien“, um Freunde und Kämpfer zu treffen, Veteranen und Versehrte. Sie bauen dort ein Reha-Zentrum auf, vielleicht kann ich helfen mit Ratschlägen und Kontakten, schaun wir mal, die Gastgeber hoffen es. Gut, dass ich mal wieder aus meiner Komfortzone herauskomme. Poltawa ist derzeit fast zu schön; weißes Herbstlicht auf weißen Häusern, da schmerzen manchmal die Augen.
Was mich oft wundert: Eigentlich müssten die älteren Ostdeutschen den Krieg hier besonders gut verstehen. Weil sie den Unterschied zwischen Drohung und Bedrohung noch aus der Zeit der deutschen Teilung kennen sollten. Die alte BRD drohte der DDR nicht, schon gar nicht militärisch. Aber sie war doch die schlimmste Bedrohung für die Existenz Ostdeutschlands, dank ihrer Attraktivität, ihrer Freiheiten und wirtschaftlichen Erfolge, ihrer geilen Musik, ihrer schönen Autos etc. Je friedfertiger, bunter, verspielter und selbstverliebter, desto bedrohlicher für die Macht der Greise in der DDR.
Das gleiche gilt heute für den Westen und die Ukraine im Verhältnis zu Russland. Je freier, friedlicher und erfolgreicher die westlichen Modelle, desto bedrohlicher für Russland. Dafür muss ihm niemand militärisch drohen.
Putin hat das übrigens erkannt, indem er (im Interview mit Kissiljow) sagte, dass die Leute, die sich im Westen für Verhandlungen und für friedliche Kompromisse einsetzen, für Russland gefährlicher seien als diejenigen, die mehr Waffenlieferungen fordern. Die Pazifisten sind für Putin-Russlands Existenz gefährlicher als die „Bellizisten“. Erstere wollen Russland wieder „einlullen“ und zum friedlichen Wettbewerb verführen – wo Russland wie die DDR gegenüber der BRD den Kürzeren ziehen wird. Aber die „Waffenlieferanten“ glaubt man mit Gewalt bezwingen zu können, zur Tributpflicht zwingen zu können. Irgendwann werden sie ja doch zurückzucken und einknicken, so die Rechnung.
Moderne Mythen
Ein beliebtes Argument der Möchtegern-Pazifisten und „Friedens-Mainfest-Unterzeichner“ in Deutschland: die USA hätten den Maidan finanziert, lt. Victoria Nulands Äußerung über die 5 Milliarden Entwicklungshilfe.
Hochgerechnet waren das monatlich ca. 47 Euro-Cent pro Ukrainer, von 1991 – 2013. Dafür haben die Ukrainer ihre Atomwaffen abgegeben. Die 47 Cent für Ukrainer bewerteten in Deutschland u.a. westlichen Ländern „engagierte Prominente“ als Beweis für ein langjähriges intrigantes Verhalten der USA.
Bei vielen Zeitgenossen erinnert die Art und Weise, wie sie Argumente vortragen, an Berggorillas – brusttrommelnd, um die eigene Kampfkraft zu signalisieren. „Ich habe Recht“ ist wahrscheinlich der häufigste Satz der Epoche.
PS: Wieder Luftalarm. Der Heulton der Sirenen ist die meistgespielte Musik unserer Zeit.
Kommentar Jens Piske:
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat die Ukraine in dem Zeitraum die 5 Milliarden bekommen, Russland jedoch 20 Milliarden. Und wieder einmal sieht man deren Dankbarkeit.
Meine Antwort:
Die ruzzen haben ja von den USA Geld bekommen für die Verschrottung der ukrain., kasach., belarus. Atomwaffen. USA haben ruzzland das Monopol an Nuklearwaffen zugestanden. Statt „Herrsche und teile!“ zu praktizieren.
Aber gut, Georg Bush d.Ä. hat ja vor dem Kyiver Parlament den Ukrainern sogar geraten, keine Unabhängigkeit anzustreben !!! Und im Westen erzählen die Friedenschwurbler, die USA hätten die Unterstützung der Ukraine langfristig als anti-ruzz. Projekt betrieben. Irre.
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