Bergleute in der Ukraine
Nachdem mir die erste Gelegenheit, Kohlearbeiter zu fotografieren, dank ei- nes disziplinierten Brigadiers verdorben worden war, fragte ich in Blisnjuki meine neuen Freunde, ob sie mir ermöglichen könnten, einen Kohleschacht zu besichtigen.
Das würde natürlich gegen Sicherheitsbestimmungen verstossen. Welcher Ausländer wird schon ohne Sondergenehmigungen auf wichtige Fabriksge- lände gelassen.
„Willst du gleich hinfahren?“, fragt Andrej*, Sergejs Chef und Besitzer einer Autowaschanlage.
„Lieber morgen, bei besserem Fotolicht.“
So einfach ist es dann noch nicht, mit der Lok übers Werksgelände zu fahren, die Werkstätten und Duschen anzusehen, die Schachtarbeiter zu fotografieren. Aber der eine kennt den anderen, die Hände waschen sich.
Andrej hat ein Ingenieurstudium absolviert, ein Studienfreund arbeitet im Schacht. Wir fahren einige Stunden übers Land, der Schacht ist 120 km entfernt. Vor zwei Jahren bin ich schon durch diese Gegend geradelt, einige Buswartehäuschen habe ich hier schon fotografiert.
Zigeuner suchen mit Wünschelruten nach Metall im Boden, als wir uns dem Kohleschacht nähern. Ein Arbeiter, dem ich kurz vorgestellt werde, schleust mich durch einen Nebeneingang an allen Kontrollen vorbei. Wir laufen durch lange Gänge, kommen in den Duschraum, in dem mehrere hundert Bergleute gleichzeitig sich waschen können. Hinter Eisengittern sitzen zwei Frauen, die fürs Schriftliche zuständig sind, sie führen die Dienstbücher. Aber das Fotografieren erlauben sie nicht, es sei denn, wir könnten eine Genehmigung vorzeigen.
Wir sehen uns stattdessen die Werkstätten an. Dann kommen die Arbeiter aus dem Schacht, es regnet inzwischen leicht. Mein Begleiter wird von den Kollegen begrüsst, er ruft ihnen zu, ich sei ein Korres-pondent der Werkzeitung.
Das Bergbaumuseum im Hauptgebäude darf ich offiziell sehen. Der Gründer und Betreiber, ein siebzig-jähriger, ehemaliger Bergarbeiter bestellt gleich den Werkfotographen, als er hört, dass ich Ausländer sei.
Die Fotos im Museum zeigen Arbeiter unter Tage mit weißen Gesichtern, gar weißen Hemden. Mein Foto- realismus lässt solche Retusche nicht zu.
Hier sind die Helden des Berges. Besonders im Sommer ist es heiß und schwül da unten, und die Sauer-stoffflaschen reichen im Notfall – d.h. wenn sich der Arbeiter nicht bewegt und ruhig atmet – drei Stunden.
Der Verdienst ist für ukrainische Verhältnisse sehr gut, er liegt hier in diesem Schacht bei etwa 500 Dollar für einen Arbeiter. Die Schichten dauern 6 Stunden. Die Arbeiter erhalten nach 25 Jahren eine Pension. Auch stellt die Firma Urlaubsplätze am Schwarzen Meer zur Verfügung.
* Name geändert
Themen: Tour de WolgaKommentare geschlossen.